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20. April 2024

Kapitalismus produziert Armut

Ali Ruckert

Am Donnerstagabend veranstaltete die OGBL-Sektion Uelzecht-Mess ein Rundtischgespräch über Armut in Luxemburg, bei dem unter anderem daran erinnert wurde, dass hierzulande inzwischen mehr als 100.000 Menschen einem Armutsrisiko ausgesetzt sind, jedes vierte Kind von Armut betroffen ist und immer mehr Menschen, die einer geregelten Arbeit nachgehen, nicht aus der Armutsfalle herauskommen. Ist es nicht krass, dass im reichen Luxemburg der Anteil der Menschen, die einer bezahlten Arbeit nachgehen und trotzdem arm sind, größer ist als in allen anderen EU-Ländern?

Inzwischen gibt es viele wissenschaftliche Studien über die Armut hierzulande, und es ist bis in alle Einzelheiten bekannt, welche Bevölkerungsschichten am meisten von Armut betroffen sind. Aber es gibt nur wenige Studien über den oft unverschämten Reichtum hierzulande und darüber, woher dieser Reichtum denn kommt und wer ihn besitzt.

Und ja, es wurde während des Rundtischgesprächs darauf aufmerksam gemacht, dass Armut und Reichtum zusammengehen, und dass dort, wo es Reiche gibt, es noch viel mehr Arme geben muss. Das führte dazu, dass in der Diskussion auch die Notwendigkeit der Umverteilung aufgeworfen wurde, ohne dass aber konkret gesagt wurde, wie das vor sich gehen könnte, und welche gesellschaftlichen Veränderungen dazu erfordert seien. Denn wer dem Armen mehr geben will, muss dem Reichen gleichzeitig etwas von seinem Reichtum wegnehmen, oder?

Viel wurde auf die Verantwortung des Staates, weniger auf die der Herren der Wirtschaft hingewiesen, und es wurden eine ganze Reihe von Maßnahmen aufgelistet, die notwendig sein werden, um die Armut zu bekämpfen, angefangen bei der Erhöhung der sozialen Zulagen, über die Anhebung des Mindestlohns und der Mindestrente, bis hin zum Bau von genügend Sozialwohnungen, was alles richtig ist.

Und doch konnte man am Ende des sehr interessanten Rundtischgesprächs das Gefühl haben, dass in einer Beziehung um den heißen Brei herumgeredet wurde.

Keiner der Teilnehmer, auch nicht die fortschrittlichen Vertreter der Zivilgesellschaft, brachte es über die Lippen, deutlich das zu sagen, was augenfällig ist, nämlich dass der Kapitalismus Armut produziert. Denn Armut ist bekanntlich keine Naturerscheinung, sondern die Folge von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen.

Im Mittelpunkt dieser kapitalistischen Ellenbogengesellschaft steht nicht die Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse und soziale Gerechtigkeit, sondern die Jagd nach Maximalprofiten. Armut gehört zu den »Kollateralschäden«, welche ihre wirtschaftlichen und politischen Verfechter produzieren und die sie bestenfalls durch gewisse staatliche Transferleistungen und eine karitative Almosenpolitik einschränken, aber keineswegs beseitigen wollen oder können. Ansonsten die Kapitalisten und die Reichen, die Besitzer der Konzerne und Banken und riesiger Vermögen, ihre Privilegien verlieren würden.

Damit das geschieht, müssen sich erst einmal viele politischen, gewerkschaftlichen und sozialen Kräfte zusammenschließen, um zu erreichen, dass die Besitzverhältnisse in der Wirtschaft und die gesellschaftlichen Mechanismen, welche die Armut und die Ungleichheiten und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten immer wieder reproduzieren, außer Kraft gesetzt werden können, so dass eine umfassende und gerechte Umverteilung möglich wird.

Es ist das Einfache, das so schwer zu machen ist.